Zweiter Weltkrieg

Flucht und Vertreibung

Stand
AUTOR/IN
Gregor Delvaux de Fenffe
Sascha Feuchert

Ab 1944 flüchten etwa 14 Millionen Deutsche aus den von Deutschland besetzten Gebieten Richtung Westen.

Während des Zweiten Weltkriegs flüchten Menschen im Schnee mit Kutschen.
Flüchtlingstreck in Ostpreußen, 1944.

Die große Flucht 1944/45

In den ersten Kriegsjahren kann Deutschland große Gebiete im Osten einnehmen. Ab 1944 wendet sich das Blatt, die Alliierten können gemeinsam Stück für Stück die von Deutschland besetzten Gebiete zurückerobern. Im Osten betritt die Armee der Sowjetunion im Oktober 1944 erstmals ostpreußischen Boden. 14 Millionen Deutsche verlassen deshalb ab Ende 1944 dort ihre Heimat, werden deportiert oder in die Flucht geschlagen. In unzähligen Kolonnen drängen Flüchtlingsströme aus den ehemaligen deutschen Gebieten – vor allem aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien – Richtung Westen.

Die Schrecken der Flucht

Mit dem Oktober des Jahres 1944 haben die Wintermonate begonnen. Diesmal ist die kalte Jahreszeit besonders hart und früh hereingebrochen.

Die Menschen fliehen oft unkontrolliert, in wilder Panik und im letzten Moment. Es bleibt ihnen kaum Zeit, an das Nötigste zu denken. Die Flüchtlinge fliehen zu Fuß, mit Handwagen oder Pferdefuhrwerken Richtung Westen. Es gibt keine medizinische Versorgung, nur wenige Lebensmittel und kaum Trinkwasser. Viele Menschen, besonders Kleinkinder, alte und kranke Menschen, erfrieren oder verhungern. Kleidung und "Fluchtausrüstung" sind denkbar ungeeignet. Viele Flüchtlinge tragen unhandliche, schwere Koffer, die wenigsten haben einen Rucksack. Wegen der Kälte und den Strapazen der Flucht können sie nur wenige Kilometer am Tag zurücklegen.

Zu alldem kommt die Angst vor der sowjetischen Armee, die von Osten kommend täglich 50 bis 70 Kilometer tief in das Reichsinnere vordringt. Die Soldaten beschießen die Flüchtlingskolonnen, misshandeln die Flüchtlinge oder deportieren sie in Gefangenenlager.

Flüchtlingsstreck in einem Dorf in Ostpreußen.
Flüchtlingsstreck in einem Dorf in Ostpreußen.

Systematische Vertreibung

Die Deutschen fliehen nicht nur in Massen – zwischen Winter 1944 und Sommer 1945 werden sie systematisch aus den befreiten sowie den ehemaligen deutschen Gebieten vertrieben, nachdem dort die nationalsozialistische Herrschaft beendet worden ist.

In Polen, im Sudetenland, den südlichen, nördlichen und westlichen Randgebieten der böhmischen Länder (Tschechoslowakei), in der deutschen "Wolga-Republik" auf russischem Territorium, in Ungarn, Rumänien (Siebenbürgen, Banat), Kroatien (Slawonien), Serbien (Wojwodina), Slowenien und im Baltikum: Überall werden die Deutschen vertrieben und müssen ihre Heimat verlassen.

Jetzt entladen sich die Wut der jahrelang unterdrückten Völker gegenüber der deutschen Bevölkerung. Hass und Zerstörung sind die Antwort auf die Gewaltverbrechen der Nationalsozialisten. Die Deutschen werden erst vereinzelt, später systematisch aus den osteuropäischen Ländern vertrieben. Alle müssen gehen – auch diejenigen, die schon seit Generationen in diesen Gebieten gelebt haben.

Das Chaos der „Stunde Null“

In Berlin kommt ein Flüchtlingstreck an.
In Berlin kommt ein Flüchtlingstreck an.

Die gewaltigen Flüchtlingsströme verlaufen quer durch das zerstörte Deutschland und treffen auf Menschen, die durch Bombenangriffe und Kriegshandlungen selbst kaum das Nötigste zum Leben haben. Vielerorts werden die Neuankömmlinge daher misstrauisch empfangen und nicht selten feindselig behandelt.

Es ist das Deutschland der "Stunde Null", und in den kriegszerstörten Ruinenlandschaften mangelt es an Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Wohnraum, Kleidung, Heizmaterial und Arbeit. Viele Heimatvertriebene müssen jahrelang in Massenunterkünften oder Baracken leben, Wohn- und Lebensraum muss erst neu geschaffen werden. Sie müssen nach den Strapazen der Flucht mit leeren Händen den Neuanfang versuchen.


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